Wissenschaftliches Schreiben

Dieter Schmalstieg

Im Rahmen des Proseminars „Grundlagen methodischen Arbeitens“ (GMA) ist es unter anderem Ihre Aufgabe, eine ansprechende Seminararbeit zu verfassen. Vielleicht haben Sie bereits im Rahmen einer Fachbereichsarbeit für die Matura eine wissenschaftlich angeleitete schriftliche Arbeit verfasst. Wir haben jedoch festgestellt, dass die Vorkenntnisse der Studierenden in Bezug auf die Aufgabe des wissenschaftlichen Schreibens stark unterschiedlich ausgeprägt sind. Daher wird im folgenden der Versuch unternommen, kurz die wichtigsten Fakten und Regeln wissenschaftlicher Texte unter besonderer Berücksichtigung Ihrer Seminararbeit zu beschreiben.

Was ist ein Paper?

Wissenschaftliche Erkenntnisse werden vermittels sogenannter begutachteter Publikationen dokumentiert. Dabei schreiben Wissenschaftler in Form eines Fachartikels (engl. „Paper“) ihre neuen Ideen (oder inkrementellen Verbesserungen) nieder. Damit man sich als Leser auf die Neuheit eines Beitrages verlassen kann, gibt es spezielle Journale und wissenschaftliche Konferenzen, die aus einer Vielzahl von Einreichungen durch einschlägige Begutachtung (sog. „Peer Reviewing“) die wertvollsten Papers auswählen und veröffentlichen.

Die ausgewählten Artikel erscheinen dann in Fachjournalen oder gesammelt als Tagungsbände wissenschaftlicher Konferenzen. Obwohl ein Paper auf den ersten Blick zumindest von der Länge her einer herkömmlichen journalistischen Publikation (z. B. Gartenzeitschrift, Tageszeitung) gleicht, darf man ein wissenschaftliches Paper nicht so ohne weiteres mit herkömmlichen journalistischen Produkten gleichsetzen.

Ein Paper zeichnet sich durch eine spezielle Sprache und Form aus, die strengen Regeln unterliegt. Wissenschaftliche Papers werden vor der Veröffentlichung einer strengen Qualitätskontrolle durch von wissenschaftlichen Gesellschaften, Verlegern oder Komitees bestellten Gutachtern unterzogen, die unter anderem die Stichhaltigkeit und Neuartigkeit der Veröffentlichung überprüfen. Nur ein durch dieses Peer Reviewing approbiertes Paper wird in der wissenschaftlichen Welt ernstgenommen und darf in einer anerkannten Publikation erscheinen. Die Leistung eines Wissenschaftlers wird dann an derartigen Publikationen gemessen.

Sie werden im Laufe Ihres Studiums meist als Leser, später vielleicht auch einmal als Autoren eines solchen Papers agieren und sollen daher frühzeitig im Rahmen von GWA wissenschaftliche Literatur und ihre Form kennenlernen.

Aufbau eines Papers

Papers folgen stets einem mehr oder minder vorgegebenen Aufbau:

  • Zunächst wird der Titel der Arbeit, Autoren sowie deren Herkunfts-Institute genannt.
  • Es folgt eine Kurzfassung, in der die wesentlichen Aussagen zusammengefasst sind, sodass sich der erfahrene Leser rasch einen Überblick über den Inhalt dieses Papers verschaffen kann.
  • Das erste Kapitel eines Paper stellt meist eine Einführung dar, wobei insbesondere vorweg auf die behandelte Problemdarstellung und den Beitrag zum Stand der Wissenschaft eingegangen wird, den die Arbeit leistet. Diese Teile dienen dazu, das Interesse des Lesers zu wecken.
  • Im folgenden Abschnitt werden meist Vorarbeiten (eigene, aber insbesondere die anderer Forscher) beschrieben, auf denen das Paper aufsetzt. Dies hat den Zweck, die eigene Arbeit von Vorarbeiten abzugrenzen und gleichzeitig den Bezug zum Stand der Wissenschaft herzustellen.
  • Im Anschluss findet man die eigentliche Beschreibung der Arbeit. Diese ist in der Informatik meist in eine Beschreibung der Konzepte und eine Beschreibung konkreter Details (Implementierung) unterteilt. Dies erleichtert es dem Leser, allgemeingültige Aussagen und Ideen von speziellen Details abzugrenzen.
  • Normalerweise werden danach Ergebnisse der praktischen Arbeit oder Beispiele präsentiert, um das Gesagte zu veranschaulichen.
  • Gegen Ende der Arbeit wird oft ein Vergleich zu verwandten Arbeiten durchgeführt bzw. es werden Schlussfolgerungen gezogen, die auf den praktischen Ergebnissen aufbauen.
  • Abgerundet wird die Arbeit mit einer rückblickenden Zusammenfassung sowie einem Ausblick auf offen gebliebene oder neu identifizierte Fragestellungen.
  • Zuletzt wird immer die zitierte Literatur angegeben.

Aufbau Ihrer Seminararbeit

Ihre Seminararbeit stellt einen Überblicksartikel dar, der sich auf bereits publizierte Ergebnisse stützt. Auch ein solcher Überblicksartikel hat eine Reihe von verbindlichen Teilen, die Sie einhalten müssen:

  • Titel, Autoren
  • Kurzfassung (maximal 100-200 Wörter)
  • Einführung/Überblick: Beschreiben Sie, worum es im folgenden gehen wird, und warum dieses Thema interessant ist.
  • Eigentlicher Inhalt
  • Zusammenfassung/Ausblick: Am Schluss sollte man nicht vergessen, die wichtigsten Punkte (die dem Leser an der Stelle ja nun vertraut sein sollten) noch einmal zusammenzufassen und vielleicht auch auf absehbare künftige Entwicklungen einzugehen.
  • Eine formal einwandfreie Literaturliste ist für eine zusammenfassende Arbeit, deren Aussagen sich zur Gänze auf Artikel anderer stützen, von besonderer Bedeutung. Ihre Leser müssen einwandfrei nachvollziehen können, woher Sie Ihre Informationen entnommen haben, andernfalls ist Ihre Glaubwürdigkeit erschüttert.

Schreibstil

Ein Paper und auch eine Seminararbeit erfordert einen seriösen Schreibstil. Obwohl Erfahrung im Schreiben nicht durch eine Anleitung wie diese ersetzt werden kann, sollen Ihnen doch hier ein paar grundlegende Gestaltungsregeln mitgegeben werden:

  • Achten Sie auf Sachlichkeit. Humorvolle Darstellung, Übertreibung etc. sind nur im Unterhaltungsjournalismus angebracht.
  • Achten Sie auf Verständlichkeit. Hierfür müssen Sie Ihr Zielpublikum kennen; beispielsweise können Sie von Ihren Studienkollegen im 1. Semester nicht erwarten, dass diese selbst das Hintergrundwissen zu Ihrem Thema habe, welches Sie selbst gerade durch Recherchen erworben haben.
  • Achten Sie auf Konsistenz. Dies betrifft rein formale Dinge wie die verwendete Zeit oder Schriftgröße, aber auch gestalterische Elemente wie den Wortschatz. Ein häufiger Fehler ist beispielsweise, einen Begriff in mehreren leicht unterschiedlichen Bedeutungen zu gebrauchen, oder für das gleiche Ding aus stilistischen Gründen immer andere Begriffe zu verwenden.
  • Schreiben Sie einfach und verständlich. Verwenden sie aktive statt passiver Formen und vermeiden Sie lange Sätze. Ihr Schreiben sollte aufgrund des Inhalts komplex sein, nicht aufgrund der Form.
  • Achten Sie auf Fehlerfreiheit bei Orthographie, Grammatik und Interpunktation. Eine fehlerhafte Arbeit ist dem Leser nicht zumutbar. Ziel einer akademischen Ausbildung ist fachliche Tiefe, formal einwandfreies Schreiben (und Sprechen) sind Voraussetzungen, die Sie aus der Schule mitbringen sollten. Die Verwendung eines Spellchecker-Programms und das Organisieren eines menschlichen Korrekturlesers ist eine Selbstverständlichkeit.
  • Führen Sie Abkürzungen und Begriffe beim ersten Gebrauch im Text ein, sodass der Leser über die Bedeutung niemals im Unklaren ist.
  • Absätze müssen mehr als einen Satz haben.
  • Ihre Arbeit muss eine erkennbare Struktur haben, die es einfach macht, sich auf Teile zu beziehen. Hierzu verwendet man hierarchisch numerierte Kapitel (in der Form 1., 1.1, ...). Für eine kurze Seminararbeit sollte eine Beschränkung auf zwei Hierarchieebenen ausreichend sein.
  • Wichtige inhaltliche Aussagen sind durch Zitieren zu belegen. Hierzu gibt man im Text einen Querverweis auf den entsprechenden Eintrag in der Literaturliste an.

Abbildungen und Tabellen

Sie können und sollen eine ausreichende Menge von aussagekräftigen Bildern, Skizzen etc. in Ihre Arbeit einbauen, um den Text zu ergänzen. Diese dürfen aber nicht nur der Verschönerung dienen, sondern sollen zum Text in Beziehung gesetzt werden. Dazu müssen die Abbildungen (unterhalb) fortlaufend numeriert sein („Abbildung 1: ...“), und im Fliesstext ist ein Querverweis auf die Abbildung anzubringen. Weiters muss jede Abbildung eine Beschriftung haben, die den Inhalt erläutert. Diese Beschriftung soll aus mehr als nur einem Stichwort bestehen, am besten einem ganzen Satz. Sinngemäss gilt dasselbe für Tabellen und andere inhaltliche Ergänzungen.

Formatierung

Genauso wie Ihre Arbeit stilistisch und orthographisch einwandfrei sein soll, muss sie von der Gestaltung des Layout her ansprechend wirken. Wählen Sie nach Wunsch ein ein- oder zweispaltiges Layout (letzteres wirkt professioneller), und füllen Sie die Seiten ganz aus. Verwenden Sie auf jeden Fall Blocksatz, und vermeiden Sie exotische Schriftarten. Betreiben Sie keine Platzverschwendung: Übergroße Abbildungen und eine neue Seite pro (Unter-)Kapitel sind nicht notwendig. Wir werden bei der Beurteilung nicht die Anzahl der Seiten, sondern eine entsprechende qualitative und quantitative Beurteilung des Inhalts vornehmen.

Besonders wichtig: Achten Sie auf Einheitlichkeit bei der Formatierung: Hierarchische Überschriften, Absatzformate, Bildunterschriften etc. Wir empfehlen Definition und Verwendung von Absatzformaten in Ihrem Textverarbeitungssystems.

Zitieren und Literaturliste

Richtiges Zitieren ist ein wesentliches Formalkriterium wissenschaftlicher Arbeit und muss von Ihnen unbedingt richtig durchgeführt werden. Zitiert wird – wie oben erwähnt- jeder wesentliche Inhalt, auf den man sich in seinen Ausführungen bezieht. Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe:

  1. Höflichkeit: Sie erweisen durch Ihr Zitat den Fachkollegen eine entsprechende Referenz. Ein fehlendes Zitat einer relevanten Arbeit unterstellt immer, dass Sie die Arbeit ihres Kollegen nicht (aner)kennen (wollen).
  2. Inhaltliche Untermauerung der eigenen Aussage durch Verweis auf die entsprechende (publizierte, peer reviewed) Aussage Ihres Fachkollegen.

Im Gegensatz zu anderen Fächern sind allerdings wörtliche Zitate, i. e., die direkte Übernahme von Passagen unter Anführungszeichen, weitgehend unüblich. Stattdessen formuliert man die Aussagen frei und verweist nur auf die entsprechende Literaturstelle. Für Zitieren und Literaturlisten gibt es eine Vielzahl von standardisierten Formaten. Zur Vereinfachung für Sie geben wir einen bestimmten Stil vor (s. unten).

Literaturliste

In GWA verwenden wir die fortlaufend numerierte Literaturliste in folgendem Format:

[Nummer] Autor1, Autor2 ...: Titel. In: Journal oder Tagungsband, Seitenangabe, Ausgabe und/oder Jahr, Verleger, Erscheinungsort.

Ein Beispiel:

[12] A. Oneman, B. Twoman: A fast sorting algorithm. In: Journal of Algorithms, pp. 140-152, Vol. 14, No. 2, 1986, IEEE Press, New York NY.

Beim Zitieren ganzer Büchern entfällt natürlich das „In: ...“. Die Zitate sind in alphabetischer Reihenfolge, geordnet nach dem ersten Autor aufzulisten. Alle Zitate sind durch Querverweise im Text anzuführen, z. B.:

„Honey is known to be one of the sweetest substances [13].“
...
[13] H. Honeybee: A survey of sweets. In: Proceedings of Nutrition...

Webseiten

In jüngerer Zeit hat sich das Problem ergeben, dass viele Inhalte bequem für Autoren wie Leser über das Web abrufbar sind. Es ergibt sich daraus zwar eine breite Verfügbarkeit von Texten, aber leider auch der Umstand, dass die Quellen unzuverlässig und instabil werden. Webseiten sind oft nach gewisser Zeit nicht mehr verfügbar und somit als Quellen nicht wirklich brauchbar. Darüberhinaus erfüllen sie (von wenigen „Web Journals“ abgesehen) nicht den Anspruch der traditionellen wissenschaftlichen Literatur (kein Peer Reviewing).

Andererseits ist das Web als Informationsquelle natürlich sehr nützlich. Daher treffen wir für GWA folgende Regelung: Webseiten dürfen zitiert werden, wenn der Autor genannt werden kann und ein Datum des Abrufs der Webseite in der Literaturangabe vermerkt wird.

Beispiel:

[14] D. Schmalstieg: GWA-Homepage. http://www.ims.tuwien.ac.at/gwa, Stand vom 29.4.2002

Allerdings werden wir Webseiten nicht bei der Bewertung der Literaturrecherche berücksichtigen. Stattdessen fordern wir ein Minimum von fünf wissenschaftlichen, publizierten Literaturstellen für eine einwandfreie Bewertung Ihrer Literaturrecherche.

Es bleibt noch, Ihnen viel Erfolg beim Schreiben zu wünschen!