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Copyright by Franz Baumann & Roman Kurmanowytsch, 1998, Vienna, Austria. No animals were harmed in the creation of this page.

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Labyrinthos tu Minotauru

In jenen fernen Zeiten, als über das attische Land König Aigeus herrschte, der Vater des großen Helden Theseus, lebte zu Athen ein kunstreicher Mann namens Daidalos. Er war seines Zeichens Bildhauer, Baumeister und Techniker, verstand sich aber auch auf die feine Kunst des Steineschneidens. In den verschiedensten Gegenden der Welt bewunderte man Werke seiner Hand und lobte sie als unvergleichlich. Seine Statuen, die er wie jeder andere in diesen frühen Zeiten aus Holz schnitzte, versah er mit schreitenden Beinen, ausgestreckten Armen und offenen Augen, während die Künstler vor ihm ihre Bildsäulen nur mit geschlossenen Augen, angelegten Armen und steifen Beinen schufen. „Die Bildwerke aus des Daidalos Werkstatt“, so hieß es weit und breit, „sind keine leblosen Statuen, sie gehen und sehen, sie sind beseelt und atmen!“

Doch so kunstreich Daidalos war, so eitel und eifersüchtig war er auch, und diese Untugend brachte ihn schließlich ins Elend, ja machte ihn sogar zum Mörder. Er hatte nämlich einen Neffen mit Namen Talos, den unterrichtete er in all seinen Künsten. Aber bald zeigte es sich, daß Talos, so jung er war, seinen Oheim an Erfindungsgabe übertraf. Noch als Knabe hatte er die Töpferscheibe ersonnen, ein Gerät, das dem bis dahin recht plumpen Töpferhandwerk eine ungeahnte Zukunft erschloß; und als er eines Tages den gebleichten Kieferknochen einer toten Schlange fand, mit der scharfen Zahnreihe ein kleines Brettchen durchschnitt und das einfache Werkzeug in Eisen nachbildete, da war die Säge erfunden, die es zuvor in der Welt nicht gegeben hatte. Zuletzt erfand er auch noch das wertvolle Drechseleisen, ein Werkzeug aus zwei miteinander verbundenen Armen, von denen der eine stillstand, indes der andere sich drehte. So schuf Talos, ganz ohne Hilfe seines Oheims und Lehrers, noch eine Menge sinnvoller, segensreicher Werkzeuge und war bald berühmter und gepriesener als Daidalos, dem die Menschheit immerhin die Zimmermannsaxt, das Maurerlot, Mastbaum und Segel und noch vieles andere verdankte. Und eines Tages, als es der Meister nicht länger ertrug, daß man den Namen des Schülers stets vor dem seinen nannte, lockte er den Jüngling auf die Burg von Athen und stieß ihn von den Zinnen hinab in die Tiefe.

Daidalos wollte den Leichnam seines Neffen heimlich verscharren, wurde aber dabei entdeckt und vor dem Gericht, dem Areiopag, des Mordes angeklagt und für schuldig befunden. Es gelang dem listigen Manne jedoch, zu entweichen, und er irrte lange als Flüchtling in Attika umher. Endlich, als im hier der Boden zu heiß wurde, schiffte er sich ein und floh weiter, über das Meer nach der Insel Kreta, wo ihm König Minos eine Freistatt bot. Auf Kreta war Daidalos hoch angesehen. Er wurde des Königs Freund. Für des Königs Tochter, die schöne Ariadne, verfertigte er als Spielzeug eine Gruppe tanzender Figuren aus Marmor. Hier auf der Insel ward ihm auch sein lichter Sohn Ikaros geschenkt; die Mutter meldet die Sage nicht.

Eines Tages aber erhielt er von König Minos den Auftrag zu einem ganz besonderen Bauwerk, das seinen Namen mehr als alles andere unsterblich machen sollte. Königin Pasiphae, die Gattin des Herrschers, eine Tochter des Helios, hatte nach den schrecklichen Willen der Götter den abscheulichen Minotauros das Leben geschenkt, einem Doppelwesen mit dem Haupte und den Schultern eines Stiers, im übrigen aber wie ein Mensch gebildet. „Schaff mit für dieses Ungetüm einen Aufenthalt, wo es für alle Zeiten den Augen der Menschen entrückt bleibt“, befahl der König, und Daidalos gehorchte. Er erbaute das berühmte Labyrinth, ein Bauwerk aus unzähligen gewundenen Irrwegen, Sackgassen und Kammern, in deren innerster das Ungetüm hausen sollte. Wie der verworrene Lauf des Flusses Maiandros in Phrygien, der bald meerwärts, bald wieder landeinwärts fließt sich beständig selber begegnend, so gewunden und verschlungen waren auch die Gänge des Labyrinths angelegt. Als Daidalos den fertigen Bau prüfend durchschritt, hatte er selbst die größte Mühe, aus dem Irrsal zurück zur Schwelle und ins Freie zu finden.

Menschenfleisch war die Speise des schrecklichen Minotauros, und nach einem alten Sühnevertrag zwischen König Minos und den mit ihm verfeindeten Athenern, mußte diese alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen als Tribut nach Kreta entsenden, wo sie in das Labyrinth getrieben und vom Minotauros getötet und verzehrt werden. Erst Theseus, der große Held, befreite seine Heimatstadt von der gräßlichen Pflicht. Er drang in das Labyrinth ein, tötete den Minotauros und gelangte mit Hilfe eines Fadens, den ihm die Königstochter Ariadne aus Liebe eingehändigt hatte, glücklich ans Tageslicht zurück. Seine Retterin entführte er übers Meer.